Ende September 2022 besuchen qualifizierte Trauerspezialistinnen des Ambulanten Hospiz Oberhausen e.V. eine Mülheimer Grundschulklasse und kümmern sich mit den Kindern im Projekt „Hospiz macht Schule“ um die Themen Sterben, Tod und Trauer.
 
23 Kinder sitzen angespannt in einem raumfüllenden Stuhlkreis. Es wird getuschelt und gelacht, dazwischen sind mucksmäuschenstill ein paar Eltern. Es ist die Schlussphase einer ganz besonderen Projektwoche, die an der Brüder Grimm Grundschule in Mülheim-Styrum nun zu Ende geht. Eine Woche, in der sich die Kinder mit Themen beschäftigen, die zuhause wohl so gut wie nie thematisiert werden. Das Sterben. Der Tod. Die Trauer. „Es war ein bisschen komisch, darüber zu reden, weil ich über den Tod noch nie gesprochen habe, obwohl es in meinem Leben schon Tod gab. Hier hat es sogar ein bisschen Spaß gemacht, darüber zu sprechen. Wir haben gelacht, aber auch geweint,“ erklärt die neunjährige Joline Lotzwick in die stille Runde. 12 Nationalitäten füllen den Stuhlkreis. Diese interkulturelle Vielfalt ist auch eine Herausforderung für die ehrenamtlichen Sterbebegleiterinnen, die für die Arbeit mit Kindern besonders geschult sind. „In den hier aufeinandertreffenden Kulturen wird unterschiedlich bestattet und getrauert. Das ist auch für uns durchaus eine Herausforderung, weil wir diese Verhaltensvielfalt nicht im Detail kennen,“ erklärt Monika Schäferling vom Ambulanten Hospizverein.
 
Das machte aber gar nichts, denn bereits nach dem ersten Tag sind die Kinder allesamt voll im Thema. Mit zum Teil besonderen Momenten. „Es wäre schon toll gewesen, wenn wir die Projektwoche vor dem Tod meines Opas gehabt hätten,“ meint Sarah Ezeala, und Sishan erzählt von ihrer kleinen Zwillingsschwester, die noch im Bauch ihrer Mutter gestorben ist. Ihr hat sie diese Woche gewidmet. Es ist ein Moment, der auch den Ehrenamtlichen nahe geht. Sishans Mutter ergänzt: „Es ist schon traurig, dass sie sogar ein Bild davon gemalt hat. Ein Grab mit Blumen drauf. Zuhause sprechen wir selten darüber, aber ich finde es gut, dass sie damit nun besser umgehen kann.“
 
Genau darum geht es der Schule. Denn auch wenn wenig darüber gesprochen wird: Großeltern sterben, manchmal auch die Eltern, mitunter Geschwister. Und dann? „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir in diesen Situationen beinahe unbeholfen sind, weil wir eigentlich gar nicht richtig wissen, wie man damit umgeht. Die Projektwoche Hospiz macht Schule ist daher nicht nur für die Kinder äußerst lehrreich, sondern auch für uns“, erklärt Klassenlehrer Jörg Meierkamp. Und so haben die Kinder in dieser Woche unter anderem Bohnenstecklinge eingepflanzt, die in den fünf Tagen ihren mit Fingerfarbe bunt bemalten Blumentopf um über 30 cm überragen. Diese Bohnen stehen für das Werden und Vergehen. Neben den Themen Sterben und Tod, Trauern und Weinen, Trösten und Trost die zentralen Themen der Projektwoche. Daneben sahen sie gemeinsam den Film Willi wills wissen, in dem Willi einen Bestatter besucht und auch einen Toten zeigt. Und nicht zuletzt war der Oberhausener Palliativarzt Michael Etges zu Besuch und stand den Kindern Rede und Antwort. Die Bohnen nehmen die Kinder schließlich mit nach Hause. Jedes Kind fordert seinen handbemalten Topf. Es sind ihre Lebewesen, die in dieser Woche erstrahlten, und die irgendwann vergehen. Der Stuhlkreis ist vergangen, die Kinder greifen sich ihre Schultaschen. Der Gong ertönt, und alles ist wie immer. Es ist laut und bunt und lustig. Leben eben.
 
Die nächsten Hospiz-macht-Schule-Projektwochen des Ambulanten Hospizvereins Oberhausen sind für Frühjahr und Herbst 2023 geplant.